Elisabeth Jegel Elisabeth Jegel

Eine unvergessliche Wanderung auf die Saualpe: Schmerz, Stille und Glücksmomente

im Oktober 2024 begann mein Abenteuer auf die Saualpe – alleine, mit schwerem Rucksack und Blasen an den Füßen. Beschwerliche Wege, ein windiger Zeltplatz und Schmerzen begleiteten mich, doch Sonnenstrahlen im Nebelwald, ein magischer Sonnenaufgang und die beeindruckende Landschaft entschädigten für alles. Geologische Parallelen zur Blockheide und Schottland faszinierten mich ebenso wie die Einsamkeit der Natur. Nach drei anstrengenden Tagen erreichte ich erschöpft, aber erfüllt mein Ziel. Saualpe – ich komme wieder!

Im Oktober 2024 beginnt mein Abenteuer auf die Saualpe. Ich werde dieses Mal alleine wandern. Zwei Nächte sind geplant und ich habe alles dabei: neues Zelt, neuer Kocher, Schlafsack, Matte und vieles mehr. Der Tag startet früh, und der Rucksack ist gepackt. Eine Autofahrt nach Völkermarkt, ein von der Nacht ausgespuckter verzweifelter Betrunkener, eine Busfahrt plus Verschwörungstheoretiker - dann endlich der Ausgangspunkt, der Gasthof Bierbaumer am Griffen Berg. Der Nebel liegt dicht in der Luft, und außer einer einsamen Kirche auf einem Hügel gegenüber ist kaum etwas zu sehen. Voller Vorfreude mache ich mich auf den Weg, obwohl mein Rucksack schwer ist und meine Kondition schlecht.

Die ersten Stunden verlaufen zäh. Viele Abschnitte führen über Asphaltstraßen und die abseits gelegenen Wanderwege sind oft verwuchert. Hier dürften nicht viele hinaufgehen, auf die Saualpe. Es ist der Panoramaweg Südalpen Weg, Etappe 17. Der Nebelwald nimmt meine Sorgen mit und sie scheinen sich zwischen den Bäumen und Farnen zu zerstreuen. Zweimal muss ich an Stieren vorbei, die mich mit aufmerksamem Blick beobachten, der eine muht aufgeregt hinter mir her. Ich mag Kühe, aber ich habe auch Respekt. Meine Schuhe drücken und ich spüre wie sich an beiden Füßen Blasen bilden - jetzt schon! Und mein rechter Hüftbeuger sagt auch hallo. Ich brauche gefühlt doppelt so lange, wie angegeben, auch weil ich hin und wieder stehen bleibe und fotografiere.

Die Zeit wird knapp bis zur Hütte, es ist Herbst und es wird früher dunkel. Obwohl ich schon ziemlich erschöpft bin, kann ich mir keine Pause gönnen. Der Höhepunkt des Tages ist der Moment, als die Sonne durch den Nebelwald bricht. In solchen Augenblicken scheinen Schmerz und Anstrengung plötzlich weit entfernt.

Gegen 15 Uhr erreiche ich erschöpft die Pöllinger Hütte (1623m), die jedoch geschlossen ist.

Glücklicherweise finde ich Bier zur freien Entnahme - ich liebe die Hüttenwirtin!

Ein einheimischer Wanderer leistet mir für eine Weile Gesellschaft. Später bin ich allein und bereite mich darauf vor, zum ersten Mal in meinem Zelt zu übernachten. Ich bin aufgeregt glücklich über den traumhaften Sonnenuntergang - unter mir das Nebelmeer im Lavanttal, gegenüber die Koralpe. Es ist grossartig, dies alles nur für mich zu haben und doch ungewohnt es mit niemandem zu teilen.

Mitten in der Nacht verwandelt sich mein Stellplatz in einen Windkanal. Um ein Uhr entscheide ich mich, Schutz auf dem Dachboden eines Stalls zu suchen. Ich öffne die Tür und Mäuschen laufen kreuz und quer, aber ich bin dankbar für diesen Platz. In meinen tollpatschigen Hüttenschuhen und mit schmerzenden Füßen räume ich Matte und Schlafsack aus dem Zelt. Der Wind packt meine Matte und fast wäre sie davongeflogen. Ich denke an ein Video, das ich gesehen habe, in dem das ganze Zelt davonsaust. Schließlich demontiere ich alles und finde so gegen zwei Uhr endlich Schlaf.

Der nächste Morgen beginnt kühl und finster. Ich mache Kaffee und Frühstück, lasse den heißen Dampf in mein Gesicht steigen und warte auf die Sonne, dann Start zur Wolfsberger Hütte.

Der Weg führt durch eine umwerfende ganz eigne Landschaft. Alles hier erinnert mich an Schottland - ich bin glücklich!

An der Hütte treffe ich die Wirtsleute, die dabei sind alles winterfest zu machen. Eine herrliche Kaspressknödelsuppe überzeugt mich und ich beschließe noch eine Nacht hier im Notlager zu bleiben. Heutiges kleines Ziel: großer Sauofen und wieder zurück. Als Öfen werde die aus hartem Eklogit-Gestein bestehenden Türme genannt, die der Erosion widerstanden haben. Durch plattentektonische Prozesse über Millionen von Jahren entstand hier eine geologische Vielfalt.  Ich denke an das Waldviertel und die Blockheide - beide Regionen entstehen im Zuge der variszischen Gebirgsbildung und zählen zu den ältesten Gesteinsformationen Mitteleuropas. Eine kleine Gemeinsamkeit. Während aber die Saualpe von kristallinen Gesteinen wie Gneis und Schiefer dominiert wird, ist die Blockheide bekannt für ihre markanten Granitformationen, die durch Erosion geformt werden. (Siehe mein Artikel zur Blockheide.) Der Abend endet in gemütlicher Gesellschaft und mit etwas zu viel Alkohol – ein lustiger Abschluss des Tages.

Die Nacht im Notlager ist ruhig, obwohl der Wind daran vorbei pfeift.

Der nächste Morgen beginnt wieder früh. Ich erlebe einen wunderschönen, sehr stillen Sonnenaufgang, den ich mit Selbstauslöser festzuhalten versuche.

Ein Einheimischer bringt mir Gebäck von der Bäckerei, und ich mache mich später als geplant auf den Weg. Die heutige Etappe führt mich über die gesamte Saualpe bis nach Klippitztörl. Das Wetter ist herrlich, was angeblich selten ist, der Weg lang und anstrengend. Es geht gleich mal bergauf zum Ladinger Spitz, mit 2079m die höchste Erhebung der Saualpe, und ich verdampfe beim Aufstieg meinen Restalkohol. Einsam schön ist es hier, denn auch die Kühe sind schon im Tal.

Man sieht den langen Weg vor sich und hinter einem - die Strecke erscheint endlos. Wieder denke ich an die schottischen Highland. Interessanterweise gibt es auch hier eine geologische Verbindung. Beide Regionen gehören zu den ältesten geologischen Formationen Europas und teilen eine ähnliche Entstehungsgeschichte. Die Highlands entstehen ebenfalls während der variszischen Gebirgsbildung, und auch dort finden sich kristalline Gesteine wie Gneis und Schiefer, die den Landschaften ihr markantes, urzeitliches Erscheinungsbild verleihen.

Ich komme zwar gut voran, doch bin ich nicht all zu schnell. Meine Blasen schmerzen trotz Pflaster bei jedem Schritt. Irgendwann wird der Schmerz zu dir, denke ich und versuche mich nicht weiter darum zu kümmern. Ein Navigationsfehler führt mich in die falsche Richtung bergab, und ich verliere fast eine Stunde. Wütend und erschöpft kehre ich bergauf auf den richtigen Weg zurück. Ich fluche laut…und es hört mich keiner.

Die letzten Kilometer sind mehr eine Qual als eine Freude - meine Füße sind offene Wunden und ich hab seit dem Frühstück nichts gegessen. In Klippitztörl angekommen, muss ich jedoch feststellen, dass die Hütte, in der ich essen will, wegen Betriebsurlaub geschlossen ist. Verzweifelt suche ich nach einer Alternative und finde ein Lokal, in dem ich schließlich das lang ersehnte, heiß erträumte Schnitzel bekomme – doch der Hunger ist so groß, dass ich nicht einmal die Hälfte essen kann.

Ein Taxifahrer bringt mich zurück nach Völkermarkt, während er mir den neuersten Tratsch und Klatsch erzählt. Ich weiß nun mehr als ich wissen wollte - aber trotzdem nett. Endlich bei meinem Auto angekommen, fahre ich erschöpft zu meiner Unterkunft. Dort erwartet mich ein muffiges Zimmer mit einem durchgelegenen Bett. Aber das ist mir alles egal, ich bin zurück und habe es geschafft.

Saualpe - ich komme wieder!

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